Schlagwort: Lernende Maschinen

  • 1961 lernte ein IBM Computer zu singen

    In den frühen 1960er Jahren war es ein großer Luxus, einen IBM 7094 Computer zu besitzen, der umgerechnet rund 20 Millionen US-Dollar kostete. Aber das hinderte einige kreative Köpfe nicht daran, den Computer singen zu lassen.

    John L. Kelly Jr., Carol Lockbaum und Lou Gerstman von den Bell Labs in New Jersey nahmen sich dieser Aufgabe an und wählten das Lied „Daisy Bell“, besser bekannt als „Bicycle Built for Two“, aus dem Jahr 1892, für ihr Experiment. Die Herausforderung bestand nicht nur darin, den Computer dazu zu bringen, eine Melodie zu spielen, sondern auch darin, die Worte zu singen – eine Pionierleistung in der Sprachsynthese.

    Sie konnten sich dabei auf die Vorarbeit von Max Matthews stützen, der bereits 1957 ein Klangerzeugungsprogramm namens MUSIC entwickelt hatte. Mit diesem hatte er es geschafft, sein Geigenspiel auf einen IBM 704 zu übertragen, um es dort zu synthetisieren und wiederzugeben.

    Die Darbietung des Liedes „Daisy Bell“ dauerte weniger als zwei Minuten, wobei der Gesang nur 30 Sekunden einnahm. Das Ergebnis klang gruselig, aber auch erstaunlich futuristisch, fast wie heutige Pop-Songs, die etwas zu viel Auto-Tune verwenden.

    Eines der bemerkenswertesten Dinge an diesem Musikstück ist die Entscheidung, dem Computer einen Heiratsantrag singen zu lassen. Fast so, als ob die Forscher damals schon die Beziehung zwischen Mensch und Technologie erkannten, die wir heute in Form von Beziehungsrobotern sehen.

    Diese innovative Arbeit hatte weitreichende Auswirkungen. Als der Science-Fiction-Autor Arthur C. Clarke 1962 von dem singenden Computer hörte, integrierte er ihn in sein Buch „2001: A Space Odyssey“. In der Verfilmung des Buches ist die Szene, in der der Computer HAL 9000 „Daisy Bell“ singt, eine der denkwürdigsten.

    Es ist erstaunlich zu sehen, wie weit wir seitdem gekommen sind. Heute übernehmen Maschinen fast jeden Aspekt der Musikproduktion. Aber vor 60 Jahren war es eine technologische Sensation, einen Computer 30 Sekunden lang singen zu lassen. Hoffen wir nur, dass die von KI gesteuerte Musik in der Realität bessere Ergebnisse erzielt als im Stanley Kubrick-Film. Angesichts der jüngsten Entwicklungen werden wir das vielleicht schon bald herausfinden.